Zülpich - Rheinische Kunststätten - page 7

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Propstei als Siegburger Filiale eingerichtet. Daraus
entwickelte sich wohl ein zwischen 2000 und 2002
ergrabener, klosterähnlicher Gebäudekomplex, der
an der südlichen Langhausseite anschloss. Er gilt als
dem Gebäudeensemble der Propstei St. Pankratius
in Oberpleis vergleichbar. Für das Gotteshaus, nun
über Jahrhunderte Benediktiner-Propsteikirche,
wurde um 1230 ein neues Langhaus errichtet, in
damals modernster Formensprache. Der Kirchbau
hielt damit Anschluss an zeitgenössische sakrale
Großbauten im Rheinland. Nach Aufhebung der
benachbarten städtischen Pfarrkirchen St. Marien
und St. Martin stieg St. Peter in der Säkularisation
zur alleinigen Pfarrkirche der Stadt auf. Der auch
bei den regierenden Franzosen populäre Mythos
von einer vermeintlichen Taufe des Frankenkönigs
Chlodwig in der Krypta von St. Peter hatte seinerzeit
maßgeblich zu dieser Entscheidung beigetragen.
Nach der Kriegszerstörung von Alt-St. Peter
wurde der Architekt Karl Bandmit der Neuerrichtung
beauftragt. Bands Arbeitsschwerpunkt bildete
seinerzeit der Wiederaufbau von Sakral- und
Profanbauten in Köln und Umgebung, stilistisch
orientiert an Rudolf Schwarz und Dominikus
Böhm. Das alte Zülpicher Gotteshaus kannte Band
bereits durch Sanierungsarbeiten, mit denen er in
den 1930er Jahren betraut gewesen war. 1952
bewilligte das erzbischöfliche Generalvikariat in
Köln einen Neubau, der bis 1955 fertiggestellt
und 1957 mit der Errichtung eines zeittypisch
freistehenden Glockenturmes abgeschlossen wur-
de. Die neue Pfarrkirche orientierte sich recht genau
am Grundriss des Vorgängers, jedoch mit zwei
bedeutsamen Abweichungen: Zum einen wurden
das vormalige Mittelschiff und die Seitenschiffe zu
einem einzigen, großen Raum unter einem flachen
Satteldach zusammengefasst. Damit entstand
ein neuer, kubusartiger Hauptrakt, dem zwei
quaderförmige Nebengebäude angefügt wurden:
Nach Westen ein niedrigerer Sakristeibau, im Osten,
über der integrierten romanischen Krypta des Vor-
gängerbaus, leicht erhöht die Annokapelle mit
hoher Halbrundapsis. Sie markiert gewissermaßen
den vormaligen Hochchorbereich von Alt-St. Peter.
Das Innere des Neubaus bildete nun ein für das
Neue Bauen charakteristischer Hallenraum unter
einem offenen, von schlanken Stahlbetonsäulen
getragenen Dach. Zum anderen rückte infolge
der durch Band grundlegend veränderten
Raumausrichtung der Altarbereich nunmehr an die
Südwand des Gotteshauses.
Aus der Einrichtung von Alt-St. Peter fanden
verschiedene Ausstattungsgegenstände, die geret-
tet werden konnten, Eingang in den Neubau: Vor
allem zwei wertvolle Antwerpener Schnitzaltäre aus
der Zeit um 1525. Der größere stellt neben dem
typischen Bildprogramm der Kindheitsgeschichte
Jesu auf bemalten Flügeln in seinen geschnitzten
Gefachen Szenen der Passionsgeschichte und
Kreuzigung Jesu dar. Der kleinere Schreinaltar bildet
in seinem Zentrum die Kreuzigung, die Gregors-
messe und das Martyrium des hl. Erasmus ab. Unter
den darüber hinaus zahlreich auf Flügeln und im
Schnitzwerk beider Altäre dargestellten Heiligen ist
für die meisten eine Verehrung in Zülpich belegt.
Daher ist für beide Altäre auch von einer auf
diese Kirche individuell abgestimmten Herstellung
auszugehen. Links des Hauptaltars hängt ein beein-
druckendes, großes Kruzifix des 11. Jh.
In der Taufkapelle steht ein romanischer Tauf-
stein aus Namurer Blaustein, mit charakteristischen
Neidköpfen geschmückt. Eine Skulptur des hl. Qui-
rinus, zweiter Patron der Pfarrei, wird auf 1420 da-
tiert. Die „Erper Madonna“, eine Pietà aus der Zeit
um 1430, ist seit alters her Ziel einer Wallfahrt des
Dorfes, nach dem sie benannt ist.
Eine raumhohe Betongitterwand als Abgren-
zung zur Annokapelle mit vier eingesetzten Be-
tonkeramik-Mosaiken zum Leben des Petrus und
nierenförmige Weihwasserbecken gelten der
Kunstgeschichte als „Ausdruck des puristischen
Einrichtungskonzeptes“. An der Außenseite der
Südwand wurde mit Blick auf einen alten Neben-
patron 1955 ein Relief des Erzengels Michael, ge-
schaffen durch den Bildhauer Elmar Hillebrandt,
aufgehängt.
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