Zülpich - Rheinische Kunststätten - page 5

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und Lehrerwohnung gedient. Der dort ansässige
Lehrer Paul Hubert Pesch übernahm ehrenamtlich
die Leitung des Hauses, die er bis zu seinem Tod
1970 innehielt. In den frühen 1930er Jahren
entdeckte man unter dem Museumsvorplatz, der
nach seinem mittelalterlichen Brunnenpatron den
Namen Quirinusplatz führte, bei Tiefbauarbeiten
einen neuen, spektakulären Schatz für das Haus:
Im Rahmen von Arbeiten für eine moderne
Abwasserkanalisation wurde die hervorragend
erhaltene Ruine der römischen Thermen Zülpichs
freigelegt. Wie bald offenkundig wurde, hatten
diese bereits über eine eigene Abwasserkanalisation
verfügt! Aufgrund ihres guten Erhaltungszustandes
wurden die Thermen als Entdeckung von
überregionalem Rang angesehen, vor allem als
technisches Denkmal: Hier waren Fußboden-
und Wandheizung, Frischwasserzuleitungs- und
Abwasserableitungskanäle, Badewannen und
Badebecken besser als anderenorts in Deutschland
original erhalten. Dazu hatte wohl entscheidend
beitragen, dass über der untergegangenen
Thermenanlage später der mittelalterliche Kirchhof
von St. Peter angelegt und das Areal deshalb nie
überbaut worden war. Bei Ausgrabungen der
Folgejahre konnte das eigentliche Badehaus durch
Archäologen des Provinzialmuseums in Bonn
freigelegtundüberArbeitsbeschaffungsmaßnahmen
der 1930er Jahre mit einem einfachen Schutzbau
überbaut werden. Dessen Decke stellte den
bisherigen Museumsvorplatz mitsamt seinem
Brunnen wieder her. Die Thermenruine war seither
über eine Kellerzuwegung als neue Attraktion
des kleinstädtischen Propstei-Museums zugängig.
Der Schutzbau über den Thermen entpuppte
sich seit den frühen 1990er Jahren als akut
einsturzgefährdet. Ab 1996 musste eine massive
Holzkonstruktion die Deckenlast auffangen. Der
zeit- und kostenaufwendige, aber mit Blick auf
das bedrohte Denkmal unumgängliche Rück- und
Neubau konnte nur in einer konzertierten Aktion
erfolgen. Dies gelang im erfolgreichen Zusam-
menspiel der Stadt Zülpich mit dem LVR und
dem Städtebauministerium NRW sowie parallel
der Zusammenarbeit zwischen Zülpicher Ge-
schichtsverein und NRW-Stiftung Naturschutz,
Heimat- und Kulturpflege.
Aufgabe für den Architekten war es, über die
Erneuerung des Thermenschutzbaus hinaus unter
Berücksichtigung der umgebenden, historischen
Nachbarbauten einen Museumskomplex aus
archäologisch hergeleiteten, sich überlagernden
römischen und mittelalterlichen Befunden zu ent-
wickeln. Durch einen mehrteiligen, großzügigen
und modernen Neubau konnte das überregional
bedeutsame Bodendenkmal „Römerthermen“
dauerhaft geschützt und dem Grunde nach erst-
malig seinem Rang entsprechend dem Besucher
präsentiert werden. Das neue, monothematisch
konzipierteHaus „Römerthermen Zülpich –Museum
der Badekultur“ erzählt nun in einer „Zeitreise“ die
Kulturgeschichte des Badens von der Antike bis zur
Gegenwart. Die Dauerausstellung gilt weit über die
Grenzen der bundesdeutschen Museumslandschaft
hinaus als einmalig. Die Thermen bilden das
Herzstück des Hauses; in weiteren Abteilungen
wird die Entwicklung der alltagsgeschichtlichen
Badekultur vom Salbfläschchen bis zur Designer-
Wanne lebendig.
Bei der Präsentation von Objekten aus 2000
Jahren Badekultur kommt aufwendige Multi-
mediatechnik zum Einsatz. Die Wärmetechnik für
den Zentralbau stellt dabei eine moderne Adaption
römischer Fußbodenheizungen dar. Dieses Zusam-
menspiel von Alt und Neu wird auch im Äußeren
des neuen Gebäudeensembles augenfällig: Das im
Kern mittelalterliche Propsteigebäude wurde mit
dem Schutzbau und zwei modernen Baukörpern
verbunden, von denen der größere auf antiken
Fundamenten die Kubatur der Basilika thermarum,
der kleinere den Verlauf der mittelalterlichen
Stadtmauer an dieser Stelle nachempfindet. Die
Ziegelung der beiden Neubaukörper zitiert einer-
seits die mittelalterliche Mauer, andererseits auch
diejenige der benachbarten Peterskirche. Ihre
schmale Form gemahnt dabei jedoch zugleich
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