Zülpich - Rheinische Kunststätten - page 4

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weite Teile der Stadt und ihrer Bewohner bereits
wieder zum Opfer.
Nach dem Einmarsch der Franzosen ins
Rheinland 1794 wird die geschichtsträchtige Stadt
Hauptort eines Kantons. Zwei 1811 unter Napoleon
gestiftete und nach Zülpich gesandte Marmortafeln
rühmen die Bördestadt als „durch Chlodwigs
Sieg ausgezeichnet“ und „Wiege (des) Frank(en)
reichs“. Hier wurde aus politischen Gründen eine
nicht sicher belegte Episode der Stadtgeschichte
offensichtlich zur historischen Rechtfertigung der
Okkupation des Rheinlandes benutzt.
Der Fortentwicklung Zülpichs hatte bereits die
Situation geschadet, lange eine Kölner Exklave
im Jülicher Land geblieben zu sein. Auch die
Verweigerung eines erbetenen Neuausbaus der
alten Römerstraße von Köln in die Eifel durch die
Preußen zugunsten einer Wegeführung über Brühl
und Euskirchen verschärfte diese Lage. Während
sich insbesondere die benachbarte Kreisstadt
Euskirchen im 19. Jh. stark industrialisierte, ver-
harrte Zülpich, in einer durch Getreide- und Rüben-
anbau geprägten Region gelegen, noch lange auf
dem Stand einer Ackerbürgerstadt. Nur an der
Römerallee entstanden vereinzelt Betriebe mitsamt
den Villen ihrer Besitzer.
Verschiedene Initiativen vor und nach dem
Ersten Weltkrieg, das kulturtouristische Potential
der Römerstadt zu nutzen, verpufften trotz der
spektakulären Entdeckung und Ausgrabung
römischer Thermen auf dem Mühlenberg ab 1929.
Bombenangriffe in der Endphase des Zweiten
Weltkriegs, auf den Straßen- und Bahnknotenpunkt
Zülpich zielend, vernichteten weite Teile der
Zülpicher Innenstadt mit ihrer alten Bausubstanz.
Zwischen 1953 und 1972 rückten zwei Tagebaue
eines Braunkohle fördernden Unternehmens nahe
an die Stadt heran. Aus den vormaligen Gruben
entstanden schließlich die beiden umliegenden
Seen. Seit den 1990er-Jahren setzten Bemühungen
um die Sicherung und Erhaltung der verbliebenen
Bausubstanz in der Bördenstadt ein: Die Ruine der
Martinskirche (1997) sowie diejenige der römischen
Thermen konnten durch neue, zeitgemäße
Schutzbauten vor dem Verfall gerettet werden. Mit
dem Haus Römerthermen Zülpich – Museum der
Badekultur (Eröffnung 2008), den umfassenden
Renovierungs- und Restaurierungsmaßnahmen an
der Pfarrkirche St. Peter sowie der erzbischöflichen
Burg, jeweils mit Einrichtung von kulturellen
Präsentationsräumen (bis 2014), sowie den
großen Gestaltungsmaßnahmen im vorgelagerten
Wallgraben im Zuge der Landesgartenschau 2014
findet der Ausbau des alten Siedlungszentrums
„Mühlenberg“ zu einemregelrechtenKulturquartier
seinen Abschluss.
Ausgangspunkt Mühlenberg:
Ein Rundgang durch die Stadt
Vom alten Propstei-Museum zu den “Römer-
thermen Zülpich - Museum der Badekultur“
Aus Anlass der in Zülpich stattfindenden „Rheini-
schen Provinzial- Obst- und Gartenbau-Aus-
stellung 1909“ hatte die Bürgerschaft nach
Aufruf der Stadtverwaltung zahlreiche Objekte
für eine als ergänzendes Angebot konzipierte,
stadtgeschichtliche Ausstellung zusammenge-
tragen. Diese Sammlung umfasste schließlich das
ganze Spektrum archäologischer, historischer,
kunstgeschichtlicher und kunstgewerblicher Ex-
ponate. Sie wurde durch eine Leihgabe zahl-
reicher Gemälde des aus Zülpich stammenden
Genremalers Hubert Salentin (1822-1910), eines
bekannten Vertreters der Düsseldorfer Malerschule,
weiter aufgewertet. Die positive Resonanz dieser
temporären Ausstellung ermunterten Stadt und
Bürgerschaft dazu, eine ständige Präsentation als
Stadtmuseum anzugehen. Eine Schenkung der
zunächst entliehenen Gemälde durch Salentin
trug dazu beträchtlich bei. Die projektierte
Einrichtung eines lokalen Museums in einem der
mittelalterlichen Stadttore kam vor dem Ersten
Weltkrieg nicht zustande. Erst 1920 erhielt die
Sammlung durch eine Präsentation in der früheren
Propstei auf demMühlenberg ein ständiges Domizil.
Die Propstei hatte bis dato als Schulgebäude
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