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b Fitness-Test, Extra-Früherkennung, kos-
metische Operationen, Kunsttherapie oder
Akupunktur: Neben gesetzlichen Leistungen,
die über die Krankenkassen abgerechnet werden,
bieten Ärzte mehrere Hundert Selbstzahler-Leistun-
gen an. Man spricht von individuellen Gesundheits-
leistungen oder IGeL. Diese werden privat bezahlt
und erreichen in Deutschland einen Jahresumsatz
von rund 1,5 Milliarden Euro.
Doch bei Weitem nicht alle dieser Angebote sind
sinnvoll oder preiswert. Zum Teil bleiben sie ihren
wissenschaftlichen Wirkungsnachweis schuldig
oder verursachen sogar mehr Schaden als
Nutzen. So können z. B. bestimmte
Extra-Untersuchungen falsche Krebs-
diagnosen liefern, die zu belasten-
den Folgebehandlungen führen.
Unabhängige Information
statt Werbung in Weiß
Wenn daher ein Arzt oder Psy-
chologe eine Privatleistung anbie-
tet oder darauf angesprochen wird,
muss er unter anderem über Kosten,
Risiken, nachgewiesene Wirksamkeit,
Alternativen und eine mögliche Finanzierung
durch die Krankenkasse informieren. Doch da
Therapeut und Anbieter in diesem Fall identisch
sind, entpuppen sich manche vermeintlichen Fachin-
formationen als PR. Zudem wird in der Praxis zum
Teil der Patient zur Entscheidung gedrängt oder
fälschlich behauptet, die Leistung zähle nicht (mehr)
zum Angebot der gesetzlichen Krankenversiche-
rung (GKV). Tatsächlich werden wissenschaftlich
abgesicherte Verfahren bei Krankheitsverdacht
normalerweise übernommen.
Zugleich befürchten viele Patienten, durch einen
Widerspruch den Arzt zu verärgern oder eine
Therapiechance zu verpassen. Manche sehen sich
auch unter dem Druck, sofort entscheiden. Tat-
sächlich hat jedoch jeder Patient das Recht auf
eine neutrale, ausführliche Beratung, ausreichend
Bedenkzeit sowie die Möglichkeit, Fragen zu stellen,
frei zu entscheiden und eine ärztliche Zweitmeinung
sowie weitere Informationen einzuholen.
Keine Anpreisung, keine Eile, kein Druck
Neben einer ergebnisoffenen Beratung sollte der
Arzt eine (neutrale, nicht werbliche) Information und
Vereinbarung über die Leistung schriftlich aushändi-
IGeL: Sinnvoll – notwendig – verhältnismäßig?
Was Sie über Selbstzahler-
Leistungen wissen sollten
gen sowie zur gründlichen Prüfung der Unterlagen
und weiterer Information anregen. Dabei darf kein
Zeit- oder Entscheidungsdruck entstehen (IGeL sind
nicht dringend). Denn die therapeutische Betreu-
ungssituation darf nicht für Werbung oder gar ein
Drängen auf Zustimmung genutzt werden, sondern
muss sich am Patientenwillen orientieren. Der Arzt
darf auch weder Kassenleistungen mit Hinweis auf
sein IGeL-Angebot abwerten noch eine medizinisch
notwendige Kassenleistung wegen des Patientenwi-
derspruchs ablehnen.
IGeL-Monitor:
Welche Verfahren sind empfehlenswert?
Für eine bessere Patienteninformation hat der
Medizinische Dienst des GKV-Spitzenverbandes
MDS die unabhängige Informationsplattform www.
igel-monitor.deeingerichtet. Gesundheitsexperten
bewerten in diesem Rahmen Privatleistungen auf
der Grundlage wissenschaftlicher Quellen, die dazu
systematisch ausgewertet werden. Sie wägen
Nutzen und Schaden gegeneinander ab und fassen
das Ergebnis in einem Gesamtfazit zusammen, das
von „positiv“, „tendenziell positiv“ und „unklar“ bis zu
„tendenziell negativ“ und „negativ“ reicht.
So können Laien und Fachleute über die jeweils
auf sie zugeschnittenen Abschnitte erfahren, wel-
che Vor- und Nachteile von den IGeL-Verfahren zu
erwarten sind, wie das Urteil ausfällt und welche
Schritte dazu geführt haben. So wertete der MDS
zum Beispiel den PSA-Test auf Prostatakrebs, die
Blutegeltherapie bei Kniearthrose und den NMP22-
Test auf Harnblasenkrebs als negativ und damit
schädlich. Lediglich zwei von 24 geprüften IGeL
erhielten die Bewertung „tendenziell positiv“.
Die Nutzer erfahren außerdem, welche der Leis-
tungen bei Krankheitsverdacht von der GKV über-
nommen werden und wo sie weitere Beratung er-
halten. Sie können sich auch beschweren sowie
sich über Preise und Verhaltenstipps im Fall eines
IGeL-Angebots informieren.
Auch Verbraucherzentralen
stehen Ratsuchenden in
Sachen IGeL zur Seite
und bieten Anlauf-
möglichkeiten für
Beschwerden, z. B.
unter www.verbrau-
cherzentrale.nrw/igel-
aerger.
Laut der
Gebührenordnung für
Ärzte (GOÄ) handelt es
sich bei IGeL um „Leistungen
auf Verlangen des
Zahlungspflichtigen“.
Der Wunsch muss daher
vom Patienten
ausgehen.
Leistungen sind
dann für die GKV
ausgeschlossen, wenn
nach Ansicht des
Gemeinsamen Bundes-
ausschusses keine aus-
reichenden Belege
für eine medizinische
Notwendigkeit
vorliegen.
Ratgeber
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