Valeo 01/2013 - page 9

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er erste Männergesundheitsbericht nahm
2010 die spezifischen Gesundheitsrisiken
von Männern und deren gesellschaftliche
Wahrnehmung unter die Lupe – und kam dabei zu
überraschenden Ergebnissen. „Wenn es um den
Arztbesuch geht, sind Männer Meister der Verdrän-
gung“, weiß Prof. Dr. Frank Sommer, Präsident der
Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit
e. V., die den Bericht gemeinsam mit der Stiftung
Männergesundheit erstellt hat. Als erster und bis-
lang einziger Universitätsprofessor für Männerge-
sundheit in Deutschland untersucht der 45-Jährige
am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf das
Gesundheitsverhalten seiner Geschlechtsgenossen.
„Männer gehen oft erst zum Arzt, wenn die Erkran-
kung schon ausgebrochen ist. Während Frauen
gezielt Vorsorge betreiben, geht es bei den Herren
in erster Linie um Reparaturen“, so der Mediziner.
Was wie ein Klischee klingt, ist leider auch heute
noch allzu wahr: Männer rauchen häufiger als
Frauen, sie trinken mehr, achten weniger auf ihre
Ernährung und leiden infolgedessen an einer ganzen
Palette von Zivilisationskrankheiten. Angefangen
von Übergewicht über hohen Blutdruck und einen
erhöhten Cholesterinspiegel bis hin zu ernsten
Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes reicht
die Palette. Die Fakten sind alarmierend: Männer
zwischen 40 und 50 Jahren erleiden fünfmal
häufiger einen Herzinfarkt als Frauen. Die Zahl der
Diabetes-Patienten ist bei Männern fast doppelt
so hoch wie bei Frauen, und die Selbstmordrate
der Männer übersteigt die der Frauen mindestens
um das Dreifache. Gute Argumente für einen
Arztbesuch – sollte man meinen. Dennoch werden
viele Vertreter des starken Geschlechts vor der
Arztpraxis ganz schwach: Rund 80 Prozent nehmen
beispielsweise die kostenfreien Krebsvorsorgeun-
tersuchungen nicht in Anspruch. Meist sei hier die
Angst vor schmerzhaften Untersuchungen oder
einer negativen Diagnose der Grund für die männ-
liche Zurückhaltung. Dabei ist ein Großteil der Vor-
sorgeuntersuchungen schmerzlos. Zudem lassen
sich viele Erkrankungen heilen, wenn sie frühzeitig
erkannt werden.
Vor diesem Hintergrund appelliert auch Prof.
Dr. Frank Sommer an die Herren: „Männer, geht
nicht erst ab 45 zum Arzt! Vor allem dann nicht,
wenn Vater oder Großvater Prostatakrebs hatten.
Da kann man sich ruhig schon mal fünf Jahre
früher bei der Vorsorge sehen lassen.“ Ein Rat, der
berechtigt ist: Jährlich erkranken 64.000 Männer
an Prostatakrebs. Das Prostata-Karzinom ist noch
vor Darm- und Lungenkrebs das häufigste Karzinom
des Mannes. Liegen Potenzstörungen vor, ist der
Gang zum Arzt ohnehin angezeigt – egal in welchem
Alter. In Deutschland ist jeder fünfte Mann von einer
Erektionsstörung betroffen. Das kratzt am Selbstbe-
wusstsein und belastet nicht selten die Beziehung.
Dennoch scheuen viele Betroffene den Besuch in
der Praxis. „Viele Männer definieren ihre Männ-
lichkeit über die Sexualität. Niemand gibt gern zu,
unter einer Erektionsstörung zu leiden. Dabei nimmt
die erektile Dysfunktion mit dem Alter zu. Während
unter den 20- bis 30-Jährigen etwa vier Prozent
an einer Erektionsstörung leiden, sind es bei den
40- bis 50-Jährigen schon fast 20 Prozent“, zitiert
Prof. Dr. Frank Sommer aus der Statistik. Beson-
ders gefährdet sind übrigens Männer, die großem
Stress ausgesetzt sind oder ungesund leben. Auch
die Zusammensetzung des Schwellkörpers oder ein
erniedrigter Testosteronwert kann die Ursache für
das Problem sein. Doch noch aus einem weiteren
Grund sollte Man(n) Erektionsprobleme unbedingt
ernst nehmen: Verstopfte Penisgefäße weisen früh-
zeitig auf verstopfte Herzkranzgefäße hin. „Studien
haben bewiesen, dass ungefähr sechs Jahre nach
den ersten Erektionsproblemen ein Herzinfarkt oder
Schlaganfall auftreten kann. Erektionsstörungen soll-
ten daher nicht auf die leichte Schulter genommen
werden“, rät Prof. Dr. Frank Sommer.
Zu einer ernsthaften Erkrankung muss es jedoch
erst gar nicht kommen. Wer einen gesunden
Lebensstil führt, sich regelmäßig bewegt und sich
nicht ausschließlich von Fast Food ernährt, ist
schon mal auf einem guten Weg. Ein regelmäßiger
Check beim Arzt ist dennoch unerlässlich. „Man
muss den Männern klarmachen, dass Präventions-
maßnahmen und der Gang zur Vorsorgeuntersu-
chung keine Zeichen von Schwäche sind, sondern
auf Intelligenz und Männlichkeit schließen lassen“,
betont Prof. Dr. Frank Sommer. Höchste Zeit also,
dass auch die Herren endlich Verantwortung für
ihre Gesundheit übernehmen. „Frauen sind in dieser
Hinsicht das klügere Geschlecht. Sie kümmern sich
um ihren Körper. Männer hingegen benutzen ihn
noch viel zu oft als Kampfinstrument und um ein
bestimmtes Ziel zu erreichen“, erklärt der Präsident
der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesund-
heit e. V. Eine Verhaltensänderung sei hier durch-
aus angezeigt. Schließlich ist die durchschnittliche
Lebenserwartung von Frauen nach wie vor etwa
fünf Jahre höher als die von Männern. Also wenn
das kein Ansporn zum Umdenken ist …
Heike Reinhold (erschienen in der ZEIT
am 15. November 2012)
Online-Check für den Mann
Weiterführende Informationen zum Thema
Männergesundheit finden Sie unter
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