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Was geschieht im Körper vor dem
Einschlafen?
Ein System aus Signalsubstanzen und Nervenaktivi-
täten leitet den Schlaf ein: Aktivierende Nervenbo-
tenstoffe wie Noradrenalin und Acetylcholin sowie
das Stresshormon Kortisol sinken im Körper ab.
Wachstumshormone und hemmende Botenstoffe
wie das ausgleichende Serotonin, GABA und vor
allem das Schlafhormon Melatonin steigen hinge-
gen an. Wir werden entspannt, ruhiger, weniger
aufmerksam, müde und schließlich schläfrig. Der
Körper schaltet auf Aufbau um. Appetit, Energieum-
satz, Puls, Blutdruck und Muskelspannung sinken.
So fällt beim Einschlafen schließlich der Kopf auf die
Brust, oder wir zucken, weil die Muskulatur nicht
mehr richtig reagiert. Zwar führt auch Ausruhen
oder Dösen zu einer gewissen Erholung. Die Kör-
perfunktionen bleiben dabei jedoch auf einem etwa
30 % höheren Niveau.
Beim Aufwachen kehrt sich das Verhältnis um:
Schlaf-Gegenspieler wie Kortisol, Noradrenalin, His-
tamin und Orexin steigen im Gehirn. Drei sehr alte
Hirnregionen übernehmen in diesem Zuge wieder
die Regie: Die Formatio reticularis als „Wach- und
Weckzentrum“ im Hirnstamm sowie Thalamus
und Hypothalamus als „Tor zum Bewusstsein“ im
Zwischenhirn. Kündigt sich am Ende der Wachpha-
se ein erneutes Schlafintervall an, werden diese
Zentren wieder heruntergefahren.
Schlafphasen:
fünf 90-Minuten-Zyklen pro Nacht
Der Mensch tickt in 90-Minuten-Phasen. So
entsprechen z. B. Spielfilme, Vorträge, Sitzungen,
Prüfungen oder Unterrichtseinheiten häufig diesem
Zeitrahmen. Dies gilt auch für die etwa fünf Schlaf-
zyklen pro Nacht, die vom Gehirn automatisch
gesteuert werden: Zunächst liegen wir etwa 5–15
Minuten wach. Das nur wenige Minuten andau-
ernde N1-Stadium kennzeichnet anschließend den
Übergang zwischen Wachen und Schlafen. Danach
gleiten wir in den stabilen N2-Schlaf, der etwa 25
Minuten andauert. Die Augen bewegen sich nun
nicht mehr. Muskelspannung, Puls, Körpertempe-
ratur, Gehirnaktivität, Atemfrequenz und Blutdruck
sinken deutlich. Auf diesen Abschnitt folgt schließ-
lich – etwa eine halbe Stunde nach dem Einschlafen
– der N3- oder Tiefschlaf als wichtigste Phase. Er
dauert nur etwa 15 Minuten. In dieser Zeit sinken
die Körperfunktionen noch weiter ab, die Aus-
schüttung hemmender Botenstoffe erreicht ihren
Höhepunkt (daher sollte ein Mittagsschlaf kürzer als
30 Minuten dauern). Die meisten Regenerations-
prozesse, die Speicherung von Energie (v. a. ATP) in
den Zellen sowie die allgemeine Erholung setzen ein.
Das Gehirn – und damit auch unser Fühlen, Denken
und Erinnern – sortiert sich, was uns vor Desorien-
tierung, Reiz- und Informationsüberflutung schützt.
Man könnte uns jetzt samt Matratze ins Freie tra-
gen, ohne uns zu wecken. Nur wer entspannt und
ohne wesentliche Unterbrechungen oder Störungen
schläft, erreicht diese Phase.
Anschließend folgt nach einer erneuten N2-Phase
der REM-Schlaf (ca. 20 Minuten). REM steht für
Rapid eye movement: In dieser für unsere psycho-
neuronale Organisation besonders wichtigen Schlaf-
phase bewegen wir intensiv die Augen und träumen
sehr bewusst (allerdings erinnern wir uns meist
nur an Träume aus der Aufwachphase). Gehirnak-
tivität und andere Körperfunktionen steigen wieder.
Damit wir jedoch unsere Träume nicht in heftigen
Bewegungen und Äußerungen ausleben und uns
dabei verletzen, wird die Muskulatur blockiert. Man
spricht von Schlaflähmung – die mit dem Aufwa-
chen wieder verschwindet und daher unbemerkt
bleibt. Nicht von ungefähr träumen viele Menschen,
dass sie sich bewegen wollen (z. B. rennen, greifen
oder rufen), es aber nicht können. Wir hören auch
Geräusche der Umgebung, nehmen das frühmor-
gendliche Verkehrsrauschen und das aufkommende
Tageslicht wahr. Somit ist der REM-Schlaf die ideale
Zeit zum Aufstehen. Klingelt uns der Wecker hinge-
gen aus einer anderen Schlafphase heraus, begin-
nen wir den Tag eher benommen und schwerfällig.
Wenn Ihnen das bekannt vorkommt: Probieren Sie
in 15-Minuten-Abständen verschiedene frühere
oder spätere Aufstehzeiten aus.
Nach dem REM-Schlaf beginnt der nächste
Schlafzyklus mit einer weiteren N2-Phase. In jedem
folgenden Zyklus nimmt der Tiefschlafanteil ab
und die REM-Schlafzeit zu. Der Schlaf wird somit
zum Morgen hin leichter und aktiver. Das „N“ der
N-Phasen steht dabei für NREM, also Nicht-REM-
Phasen, in denen wir nur wenig träumen. Manche
Wissenschaftler unterscheiden auch vier NREM-
Phasen mit zwei Tiefschlafphasen.
Herunter- und Hochfahren zulassen,
Schlafkiller reduzieren
Gehen wir entspannt, zufrieden und aufgeräumt
ins Bett, finden wir viel eher tiefen, erholsamen
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